Gladbacher Bank – eine Institution wird 100

03.06.2022 | Rheinische Post

Wie es um das Unternehmen im Jubiläumsjahr vor der Hauptversammlung steht und warum es in Deutschland eine Besonderheit aufweist.

MÖNCHENGLADBACH | Es ist Juni 1922, und im Deutschland der Weimarer Republik herrschen große Geldnöte. Auch die Kreissparkasse M.Gladbach wird immer mehr dazu herangezogen, Kriegsanleihen zu verkaufen und damit normale Bankgeschäfte zu erledigen, anstatt sich um das wenige Spargeld der Bürger der Stadt zu kümmern. Da reift in M.Gladbach die Idee, eine neue Bank zu gründen, eine lokale Bank, die sich um das Geld der Gladbacher kümmert und es lokalen Kreditsuchenden zur Verfügung stellt.

Das Geld sollte in der Region da eingesetzt werden, wo es gebraucht wird. Am 16. Juni 1922 ist es so weit: Die „Kreisbank Gladbach Aktiengesellschaft“ wird im Handelsregister eingetragen, und bekannt ist sie heute nach einer im Bankenwesen seltenen, womöglich sogar einzigartigen Geschichte unter dem Namen „Gladbacher Bank AG“. Das Institut feiert in diesen Wochen sein Jubiläum, eine hundertjährige wirtschaftliche Erfolgsgeschichte, die am Mittwoch, 1. Juni, wieder einmal einem gewohnten wie liebgewonnenen Ritual nachgeht.

Die Aktionäre treffen sich zur Hauptversammlung im Borussia-Park. Es werden führende Persönlichkeiten, Familien, Institutionen aus dem Gladbacher Wirtschaftsleben dabei sein, auch die Stadt als zweitgrößter Aktionär der Gladbacher Bank mit einem Anteil von 3,16 Prozent. Sie kommen bei der Hauptversammlung zusammen, sie werden die meist guten Zahlen zu hören bekommen vom Vorstand und Aufsichtsrat, einem prominenten Gastredner zuhören (diesmal Professor Clemens Fuest, Chef des Münchner Ifo-Instituts) – natürlich sind es stürmische wirtschaftliche Zeiten mit viel Ungewissheit.

Aber die Gladbacher Bank verspricht ihren Mitgliedern und Aktionären so viel Konstanz und Sicherheit, wie es eben nur geht. „Wir werden den Aktionären neben der Dividende von 15 Euro einen Bonus von zwei Euro je Aktie vorschlagen“, sagt Vorstandschef Hans-Peter Ulepic, der die Geschicke des Instituts gemeinsam mit Sven Witteck führt. Sie werden den Anteilseignern einen kräftig gewachsenen Überschuss vor Steuern auf 7,5 Millionen Euro bei einer um 5,7 Prozent auf 852 Millionen Euro gewachsenen Bilanzsumme verkünden. Das Eigenkapital ist gestärkt, die Kundenforderungen massiv gestiegen um 12,5 Prozent auf 480 Millionen Euro – es gibt Häuser, die haben in diesen Zeiten schlechtere Zahlen zu verkünden als die Gladbacher Bank. 2021 war ein deutlich überdurchschnittliches Jahr, formuliert es Ulepic, das nicht mehr so sehr belastet hat wie noch 2020: „Es ist deutlich Richtung Normalität gegangen.“

Die Normalität zur Gründung im Jahr 1922 sieht noch ganz anders aus. Es hat sicher ruhigere Zeiten gegeben, um ein neues Geldinstitut zu gründen als in den Nachkriegsjahren, in denen viele Menschen bettelarm waren und das Brot beim Bäcker abends viel mehr gekostet hat als am Morgen. Deutschland stand in der Hyperinflation, was allein schon der Reingewinn der Gladbacher Bank im ersten Geschäftsjahr 1922 zeigt: 173.483 Billionen Mark, wie Autor und Historiker Jan Wucherpfennig in der nun neu aufgelegten Chronik der Bank schreibt.

Beteiligt an der Kreisbank sind damals neben der Kreissparkasse (und damit eben auch der Stadt M.Gladbach) die umliegenden Gemeinden Odenkirchen, Kleinenbroich, Schiefbahn, Giesenkirchen-Schelsen, Korschenbroich, Neersen, Hardt und Liedberg. Nach der Gründung am 14. Juni 1922 und der Eintragung ins Handelsregister am 16. Juni nimmt die Kreisbank Gladbach AG ihre Arbeit am 1. Januar 1923 in den Räumen der Kreissparkasse an der Bismarckstraße ihre Tätigkeit auf.

Auf historischen Bildern des Gebäudes an der Ecke der heutigen Bismarckstraße / Steinmetztraße ist auch noch der Schriftzug Kreissparkasse zu erkennen. Ihren Standort ändert die Gladbacher Bank nie (mit einer kurzen Ausnahme während des Zweiten Weltkrieges), wohl aber ihre institutionelle Heimat: Die Bank verlässt 1941 das Dach der Sparkasse als öffentlich-rechtliches Institut und wird unter dem Namen „Kreditbank Gladbach AG“ privatisiert.

Seither ist ein Großteil der Aktien im Privatbesitz. Die Chronik listet dabei Namen wie etwa die Familie Bolten (AUNDE Achter & Ebels) und Familie Miler (Scheidt & Bachmann). Die Papiere sind etwas Besonderes, gehandelt werden sie nie, sondern vererbt. Den Kreis der Aktionäre nennt man in der Bank Familie. Dort einzutreten, ist schwierig bis unmöglich.

In der Bank gibt es eine Warteliste mit Interessenten, die Anteilseigner werden wollen. Aber nur selten werden Aktien weiterverkauft. Es sind genau 99.838 Aktien mit einem Stückpreis von 570 Euro – ein rares Gut, das auch so bleiben soll. Seit 31 Jahren habe es keine Kapitalerhöhung mehr gegeben und damit eben auch keine neuen Aktien, sagt Ulepic. „Wir haben in jedem Jahr eine Dividende gezahlt und die Reserven aufgestockt, der Preis der Aktie ist deutlich gestiegen und nie gesunken“, sagt Ulepic. „Wir sind einfach solide.“

Im Jahr 1974 dann der nächste Meilenstein der Unternehmensgeschichte: Die Kreditbank Gladbach AG tritt dem Genossenschaftsverband Rheinland bei. Für Ulepic ein logischer Schritt: „Aufgrund der Größe und der regionalen Ausrichtung war es nicht zielführend, im Verband bei den großen Privatbanken zu bleiben. Die Anforderungen bei einer kleinen Bank sind anders als bei den Großen.“ Bei den Volksbanken liegt die Dominanz bei eher kleinen Instituten, und so folgte der Wechsel unter das Dach der Genossenschaftsbanken und deren Einlagensicherung. Erst Sparkasse, dann Privatbank, dann Genossenschaftsbank und das ganze als Aktiengesellschaft – dieser Weg dürfte selten bis einmalig sein in der deutschen Bankenlandschaft.

Wie wohl sich das Institut damit fühlt, zeigt die Fusion mit der Volksbank Rheydt im Jahr 2003. Seit jenem Jahr ist der Geschäftsbereich gleichbleibend: Neben der Hauptstelle in der Gladbacher Innenstadt gibt es Niederlassungen in Rheydt, Giesenkirchen und Korschenbroich. Eine weitere Fusion mit der Volksbank Mönchengladbach, wie sie der jahrzehntelange Vorstand und Aufsichtsratsvorsitzende Heinz Gotzens noch 2015 in seiner Rede empfahl, steht derzeit nicht in Rede.

Seit dem Wechsel in den Genossenschaftsverband Anfang der 1970er Jahre begründet die Bank, die 1985 ihren Namen in „Gladbacher Bank Aktiengesellschaft“ von 1922 ändert, auch eine neue Tradition: In jedem Jahr wird zur Hauptversammlung ein prominenter Festredner eingeladen. Mal sind es führende Ökonomen wie nun Clemens Fuest oder bei der bisher letzten Hauptversammlung 2019 der DIW-Chef Marcel Fratzscher.

2005 waren Günter Netzer und der spätere DFB-Präsident Wolfgang Niersbach zu Gast, 1993 der ehemalige Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher, der Kabarettist Hanns Dieter Hüsch (1994), der CDU-Politiker und ehemalige sächsische Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (2004) oder der ehemalige Fußballmanager Reiner Calmund (2014).

Zur Aufgabe der Bank gehört aber nicht nur, das Geld der Kunden und Aktionäre zu verwalten und Kapital zu verleihen, um Wohlstand in der Region zu mehren, sondern auch das Engagement der Gemeinnützigkeit. Die Bank unterstützt den Münsterbauverein, die Citykirche, ist wesentlicher Sponsor des Benediktpreises, unterstützt Sportvereine, Meisterkonzerte, das Arbeitslosenzentrum, das Brauchtum, die Borussia-Stiftung, den Wissenschaftlichen Verein, Service-Clubs und viele einzelne Maßnahmen. Zum 100-jährigen Bestehen sollen nun weiter vor allem Sozialeinrichtungen begünstigt werden. „Eine Institution, die gerade jetzt besondere Förderung braucht, ist die Gladbacher Tafel“, sagt Ulepic. Neben einer eigenen Spende in noch nicht festgelegter Höhe wolle man auf der Hauptversammlung die Aktionäre bitten, ebenfalls eine Spende an die Tafel zu richten.

„Das Engagement ist wichtig“, sagt Ulepic und verspricht: „Wir wollen das auch in Zukunft machen.“

(von Andreas Gruhn)

Der Vorstand der Gladbacher Bank im Jubiläumsjahr mit Hans-Peter Ulepic (links) und Sven Witteck. Foto: Andreas Baum